Coaching Anliegen:
„Bin ich zu alt für meinen Job?“
Die Coachee Melanie Bertold (Name geändert) Melanie kenne ich schon länger. Sie war Teilnehmerin in einem meiner Glückstraining-Seminare. Sie arbeitet als Eventmanagerin bei einem großen Kosmetikunternehmen.
Als sie mich um einen Coaching-Termin bat, klang es – für ihre Verhältnisse – recht dramatisch. Normalerweise ist sie sehr beherrscht und meistens in einer zuversichtlich-heiteren Stimmung.
Ich war gespannt und freute mich auf 2 spannende Stunden.
Sie war, wie häufig, tendenziell jugendlich gekleidet, im rosa Kapuzen-T-Shirt mit Glitzerstickerei. Ale Outfit-Beraterin ging mir durch den Kopf, dass jugendliche Unbeschwertheit wahrscheinlich in der Branche ein Muss ist, so wie viele Artikel in Elle oder Cosmopolitan diesen bestimmten Girlie-Shopping-Stylish-Stil glorifizieren.
Melanies rosa T-Shirt würde gut zu einer großen, schlaksigen 25-jährigen passen und wirkt an der ca. 40jährigen, sportlichen aber kleinen Melanie etwas moppelig, weil zu eng anliegend. Ich denke im Stillen, dass ein, ihrem Alter angemessener, vielleicht etwas damenhaft- selbstbewussterer Kleidungsstil ihre einflussreiche Stellung im Unternehmen besser darstellen würde.
Ich kündige!
Gleich zur Eröffnung unseres Gesprächs deutet sie an, den Konzern verlassen zu wollen und lieber in einem Non-Profit-Unternehmen als Eventorganisatorin arbeiten zu wollen. Sie habe zwar mit großem Erfolg einige gute Projekte durchgeführt, die sehr arbeitsintensiv und schwierig waren, aber es sei in den letzten Jahren immer stressiger geworden, besonders seit eine junge, energiegeladene Kollegin ihr im Büro genau gegenüber sitze, fühle sie sich beiseite gedrängt und habe das Gefühl, zu alt zu sein. Das erstaunt mich, denn 40 ist ja immer noch ziemlich jung und Melanie macht- normalerweise – einen frischen, konzentrierten Eindruck.
Da ich die Non-Profit-Szene etwas kenne und weiß, dass es bei den meisten geförderten, oder alternativen Projekten wenig finanziellen Spielraum für Gehälter gibt, schon gar nicht in dem Rahmen, wie sie es bisher gewöhnt war, nahm ich mir gleich vor, hier sehr sachte vorzugehen, um Melanie nicht übereilt zu einem vorschnellen Handeln zu verleiten.
Ich finde es zwar immer gut, wenn jemand mutige Visionen hat, und wenn er oder sie diese absolut gleich verwirklichen will und dabei einen stimmigen Eindruck auf mich macht, dann unterstütze ich das natürlich auch; aber um im Coaching einen nachhaltigen Erfolg zu garantieren, gilt es, die ungewollten Nebeneffekte zuvor gründlich abzuklopfen.
Ich erklärte ihr also meine Devise:
Love it, leave it or change it!
Nämlich, dass ich sie in jede Richtung unterstützen könnte, je nachdem, was am meisten Sinn macht.
Sie spricht nun von ihren aktuellen Sorgen und Belastungen. Zunächst nehmen wir die schwierige Beziehung zu einem Münchner Fotografen auf´s Korn.
Ich lasse sie die Perspektiven wechseln und in seine Situation schlüpfen. Dabei stellt sich schnell heraus, dass er im Grunde, ähnlich wie sie, Angst hat, aufgrund seines Alters (über 50) bald zum alten Eisen zu gehören. Deshalb reagiere er etwas zickig, erkennt sie nun mit größerem Verständnis. Und dann resümiert sie, dass sie seine blockierende Art eigentlich im Rückblick ziemlich gut pariert hat.
Wir suchen weiter nach der Ursache ihres aktuell angespannten Gefühls. Nach einigen Ausführungen über ihre anspruchsvollen Projekte, die ihr wirklich sehr am Herzen liegen und dem guten Ansehen, das sie genießt und dem großen Spielraum, den sie mittlerweile im Unternehmen erreicht hat, wird für mich ihr Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel immer kritischer.
Was ist das eigentliche Problem?
Schließlich kommen wir wieder auf die junge Kollegin zurück und finden hier endlich des Pudels Kern: Melanie hat eine eher ruhige und freundliche Art, die Kollegin hingegen ist laut und heftig. Sie telefoniert den ganzen Tag und Melanie kann sich nicht mehr konzentrieren.
Durch die Dynamik und Lautstärke der Kollegin fühlt sie sich einfach an die Wand gedrängt.
Bislang hat sie ihre Irritation auf den Altersunterschied zurückgeführt und sich selbst dabei abgewertet, weil sie meinte, die Kollegin mit ihrem Ehrgeiz und ihrer enormen Einsatzbereitschaft habe einen jugendlichen Elan, der ihr fehle.
Nun zeigt sich, dass es einfach an unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen liegt – wie so oft im zwischenmenschlichen Bereich!
VAKOG – die NLP-Repräsentationssysteme
Es gibt Menschen, die empfindliche Ohren haben und auf diesem Kanal stärker fokussiert sind. Sie fühlen sich bei Krach oder Missklängen, denen sie glauben, ohnmächtig ausgeliefert zu sein, schnell überfordert und reagieren gestresst.
Melanie reagiert offensichtlich empfindlich auf die laute Stimme der Kollegin. Angesichts der täglichen „akustischen Attacke“ ihrer Kollegin – die das ja auch nicht absichtlich macht, sondern eben so ist! – fühlt Melanie sich ständig übertönt. Das erzeugt ein Gefühl von wie in einer Falle zu sitzen, ohne es ändern zu können, denn sie gehören zusammen zu dieser Abteilung. Dadurch schwindet Tag für Tag ihr Selbstvertrauen, ohne dass sie die Ursache erkennen kann. Als empathischer, außenorientierter Mensch gibt sie sich selbst die Schuld und schiebt es auf ihr (zu hohes) Alter: eine Hysterie, die sie vielleicht von anderen oder in den Medien aufgeschnappt hat.
Ich habe nun klar herausgefunden, wo wir den Hebel im Coaching ansetzen können und frage sie nach Alternativen zur Schreibtischsituation.
Manchmal muss man als Coach auf die ganz praktisch pragmatische Ebene gehen, weil der Coachee „im stuck“ ist, also den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.
Zunächst sieht Melanie keine andere Lösung, weil alle Büros besetzt seien. Ich frage, ob es andere Kolleginnen gibt, mit denen sie sich besser versteht und ob bei diesen vielleicht ein Schreibtisch frei sei.
Die Lösung
Ja, da gäbe es eine sehr nette, ruhige Kollegin, die auch jung sei, aber mit der sie sich immer in der Mittagspause gern unterhält. Sie seien „auf einer Wellenlänge“. Das bestätigt meine Vermutung, dass Melanie ein „auditiver“ Typ ist!
Wir gehen alle möglichen Bürokonstellationen durch. Die nette Kollegin gehöre zu einer anderen Abteilung, deshalb sei es unwahrscheinlich, dass sie zusammengelegt würden.
Jetzt fällt ihr spontan ein, dass eine andere Kollegin bald geht, und dass ihr Büro ja frei würde.
Ein Leuchten kommt in ihre Augen. Ja, sie wird mit dem Abteilungsleiter sprechen, ob sie in dieses Büro wechseln und dort vielleicht sogar ganz allein arbeiten könne! Sie richtet sich auf und macht den Eindruck, etwas Wichtiges verstanden zu haben: der Groschen ist gefallen!
Die Idee vom Beginn, den Konzern zu verlassen, ist komplett verschwunden!
Wir resümieren noch kurz das Gesprochene und verabschieden uns.
Melanie strahlt übers ganze Gesicht und verspricht, mir von den weiteren Entwicklungen zu berichten.
Kurze Zeit später ruft sie mich an und teilt mit, dass es alles wunderbar geklappt hat. Der Chef hat ihr ohne Probleme das neue Büro für sie ganz allein zugebilligt. Und sie kann weiterhin spannende Events machen.
Überglücklich bedankt sie sich für das konstruktive Coaching.
Mein Resümee
Im NLP haben wir den Begriff „Chunking“, was soviel heißt wie Stücke, oder Teile. Im Coaching wendet man diesen Begriff an, indem man Ebenen „hinauf“- oder „herunterchunkt“, also das Problem auf einer höheren, komplexeren Ebene betrachtet (mehr Teile einbezieht) oder auf eine praktischere, detailliertere Ebene hinunterbringt (kleinere Einheiten betrachtet), um dem Coachee eine neue Sichtweise auf sein aktuelles Anliegen zu ermöglichen.
Melanies hätte um ein Haar ihre gute Stellung, die ihr viel Spaß macht und gutes Geld einbringt, aufgegeben, weil sie (hochgechunkt) den Fehler bei sich suchte (die Kollegin nervt mich, weil ich zu alt für den Job bin), statt, auf einer pragmatischeren Ebene, eine einfache Lösungen für die akustische Überlastung im Büro zu finden (ich brauche Ruhe für meine Arbeit und fordere sie jetzt ein!).
Über den überraschenden Ausgang des Coachings mit dieser klaren Lösung bin ich ebenfalls sehr zufrieden!
Ihr Feedback nach einigen Monaten: Viel besser als erhofft!
“Hallo Jenison,
es geht mir – seitdem ich bei Dir war – richtig gut. Mein Personal-Jahresgespräch ist sehr positiv verlaufen. Nach Jahren (!!!!) habe ich endlich mal wieder eine Gehaltserhöhung und eine Prämie bekommen. Eigentlich wollte ich Dir erst davon berichten, wenn’s realisiert ist, aber ich habe auch das Thema “Büroraumsituation” angesprochen und siehe da: der Geschäftsführer ist sofort darauf eingestiegen und hat meiner Chefin gegenüber Vorschläge geliefert!!! Jetzt muss ich nur hinterhersein und nicht locker lassen. Er wünscht nämlich Anfang Januar einen fertigen/diskutierten Vorschlag. WOW !!!!
Kurzum: ich glaube ich sollte mich noch viel intensiver mit NLP auseinandersetzen.
Liebe Grüße
Melanie